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Josef Hoffmann (1870-1956)

Das Speisezimmer der Mimi Marlow

Josef Hoffmann (1870-1956)

Aus der Wohnung der Soubrette Mimi Marlow stammt dieser ausziehbare Speisetisch mit 8 Stühlen.
Mimi Marlow, diese „natürliche, einfache, liebenswürdige Urkraft“ stand in den Stücken „Der unsterbliche Lump“, „Casimirs Himmelfahrt“, „Hoheit tanzt Walzer“ oder „Die keusche Barbara“ auf den Wiener Bühnen wie dem Ronacher oder dem Raimundtheater. Sie hatte aber auch Engagements in verschiedenen Wiener Kabaretts. Noch Anfang der zwanziger Jahre trieb sie im Simpl „ …ihr ‚Spielchen’ mit Übermut und graziöser Laune“ und erinnerte damit, „daß wir in einer Stadt leben, die einmal durch ihre Mädchen und durch ihre Lieder berühmt geworden ist.“
1908 bis 1912 trat Mimi Marlow wiederholt im Kabarett Fledermaus auf. Angeregt durch das außergewöhnliche Ambiente ließ sie um 1911/1912 ihre ganze Wohnung von der Wiener Werkstätte einrichten. Kein geringerer als Josef Hoffmann, der 1907 die Fledermaus gestaltet hatte, lieferte dafür die Entwürfe. Die Adresse war nicht weniger prominent: Köstlergasse 3, ein Haus von Otto Wagner erbaut.
Es wurden das Vorzimmer, das Speisezimmer, der Salon und das Schlafzimmer durch die Wiener Werkstätte eingerichtet.
Zum funktionellen ovalen Auszugstisch haben sich acht bequeme Stühle mit gepolsterter Rückenlehne und Sitzfläche erhalten. Die schwarz gebeizten, glänzenden, schlicht-geometrischen Möbel des Esszimmers hoben sich von der hellen Wand ab, die durch quadratische Felder mit kleinen Dekorelementen gegliedert war.
Die Verwendung von Textilien, durch die eine einheitliche Wirkung erzielt wurde, war ein wichtiges Gestaltungselement des Speisezimmers. Die Sitzflächen und ovalen Einsätze der Rückenlehnen waren mit dem gleichen Stoff bespannt, aus dem das Tischtuch und der Lampenschirm gefertigt waren.
Josef Hoffmann verwendete dabei einen Stoffentwurf seines ehemaligen Schülers und Mitarbeiters Eduard Josef Wimmer-Wisgrill, der seit 1911 Leiter der Modeabteilung der Wiener Werkstätte war. Der Druckstoff „Mandelkrähe“, der 1910/11 von Wimmer entworfen worden war, wurde von Josef Hoffmann zur Akzentuierung des Speisezimmers herangezogen. Dieser Stoff zählt zu den frühen Textilien, die im Namen der Wiener Werkstätte angefertigt wurden. Die Produktion erfolgte außer Haus in Leinen oder Seide in verschiedenen Farbkombinationen.
In Zusammenarbeit mit dem MAK-Museum für angewandte Kunst, Wien konnte der Originalstoff entsprechend den Quellen im Archiv der Wiener Werkstätte und Resten der Originalbespannung rekonstruiert werden.
Wesentlich besser nachvollziehbar als durch die bisher bekannten Schwarz-Weiß-Abbildungen ist nun der ursprüngliche buntfarbige Eindruck des Ensembles im Sinne eines Gesamtkunstwerkes, wie es die Künstler der Wiener Werkstätte anstrebten.

Ausgewählte Literatur:

  • Das Interieur, Wien, 1913, Tafel 2.

  • Max Eisler: Österreichische Werkkultur, herausgegeben vom Österreichischen Werkbund, Wien 1916, S. 116.

  • Vera J. Behal: Möbel des Jugendstils, Sammlung des Österreichischen Museums für angewandte Kunst in Wien, München 1981, S. 261.

  • Angela Völker: Die Stoffe der Wiener Werkstätte, 1910-1932, Wien 1990, S. 38, 39.